voriger eintrag

neues aus dem elfenbeinturm - boeni, 24. juli 2003:

mir gehen dauernd parties durch den kopf. parties. sonne. an der strasse sitzen und mittags schon beschwipst sein. auf dem dach in der mittagshitze wegdösen. den abend mit nichts verplanen. musik hören.

das gras auf der anderen seite ist immer grüner. da sitze ich also in meinem neuen elfenbeinturm, im wahrsten sinne des wortes, hoch oben über der stadt und wälze gewichtige dinge in meinem kopf, die ich zu papier bringen will, damit sie zwischen zwei buchdeckel passen.

tagelang kann ich hier oben zubringen, ohne je runter auf die strasse zu gehen. ich schaue mehrmals am tag den wetterbericht an, denn der hat jetzt eine bedeutung. meistens herrscht südwestwind aus dem alten land, die wolkentürme eilen vorbei richtung fernsehturm, tag für tag. rein blauer himmel ist hier wie 6 richtige im lotto. es kann immer regnen. hier fängt schon england an.

gib mir koffein, damit ich nicht so viel schlafe. ich könnte ganze tage verschlafen. immer wenn man viel arbeit hat, wird man psychomüde. aber der schlaf erquickt mich auch nicht mehr. ich träume wirres zeug, schrecke im morgengrauen hoch, muss ich schon aufstehen? und sinke matt wieder in den traum zurück, auf den ich sowieso keine wert lege.

ich mach mir gedanken über die "glücklichen arbeitslosen". über die 35-stunden-woche in der industrie und die 60-stunden-woche in den so genannten kreativen berufen. dass ich nicht lache. hier passt nichts mehr zusammen. was ist arbeit?

was ist muße? muße ist das entscheidende, die voraussetzung für glück. muße ist etwas anderes als nicht-arbeit oder als faulheit. ich will gar nicht faul sein. ich will ein rentier sein. das ist die hoffnung unserer zeit: dass du mit dem nötigen quentchen glück so viel schotter machst, dass du nie wieder arbeiten musst. der kapitalistische traum.

so fließen die gedanken dahin. dann steige ich aus meinem elfenbeinturm doch herab. zum beispiel um mir ein franzbrötchen zu kaufen. es ist montag morgen, und im ersten stock steigt mir ein übler scheißgeruch in die nase. unten im flur liegt ein haufen. man sieht sofort: es ist ein menschenhaufen, die sehen fieser aus als die von tieren. groß wie eine pizza und schon angetrocknet. was soll der scheiß?

mit dem franzbrötchen gehe ich wieder nach oben. ach ja, im fünften stock stinkt es auch alle paar tage. nach altem urin. ich kenn den geruch von manchen alten leuten. dann ist er wieder weg. woldo und ich zerbrechen uns den kopf, wo der gestank herkommt. ich will hier keine namen nennen, aber vielleicht ist es die frau, die unter uns wohnt. ich kann mir das nicht erklären.

ich kann mir auch nicht erklären, dass der haufen abends um acht immer noch da ist, als ich von einem vorübergehenden brotjob zurückkomme. inzwischen stinkt es zum gotterbarmen. was machen die leute? ist etwa keiner vor mir nach hause gekommen? nie im leben. die sind doch alle mit zugehaltener nase die treppe raufgerannt. ich hole tief luft und greife mir ein paar pizza-service-flyer. mit denen schaufel ich die scheiße weg und schmeiß das ganze in einen sperrmüllsack auf der straße. ich muss einmal würgen. na, dann habe ich es geschafft und kann wieder in meinen elfenbeinturm steigen, um zu ergründen, was die welt im innersten zusammen hält.

weiter am 19. september 2003