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boeni, 26. juni 2004 - phiesta in cannes:

ihr werdet's nicht glauben, aber wir haben die croisette gerockt. wir haben phiesta nach cannes gebracht. und das kam so.

montag abend in cannes, wir sind gerade mit dem wagen aus marseille angekommen. auf der croisette, dem boulevard zwischen strand und edelhotels, läuft sich der halb-jet-set warm. parole: werber, aller länder vereinigt euch. das warm-up findet in der martinez-bar statt. es ist unglaublich. jede menge halbnackte frauen und typen mit einem riesenego in der brieftasche. alle quatschen in einem absurden tempo aufeinander ein. außer mir und woldo scheinen alle auf koks zu sein. kippen zwischendurch pastis für zehn euro, cocktails für mindestens 15. ein paar engländer schreien hinten in der ledergarnitur "inge-länd", wenigstens das ist charming (da hat beckhams truppe gerade gegen kroatien gewonnen, und die leute von der insel träumen noch vom EM-titel). nach einer stunde fliehen wir aus diesem irrsinn.

dienstag abend: die ersten parties hämmern vom strand herüber. aber der funke springt noch nicht über. die martinez-bar ist total flau, keine musik, die leute kraftlos, erholen die sich jetzt alle von ihrem hochdruckgequatsche von gestern? ich bin müde und ärgere mich über meine halsschmerzen im hochsommer. woldo und ich treten den rückzug an. vom balkon im miramar-appartment (stellt euch ein abgehalftertes grand hotel mit "shining"-aura vor) schauen wir bei einem glas rosé auf das flaue nachttreiben herunter. ist das etwa das wilde werbefilmfestival von cannes, der ausnahmezustand, den werber und filmer pflichtbewusst bekritteln und gleichzeitig total geil finden?

ich hab die faxen dicke und beschließe, doch nicht schlafen zu gehen. wir packen den tragbaren batterie-plattenspieler, den mir woldo zum geburtstag geschenkt hat (extra für ein kleines strandhappening durchs flugzeug geschleppt), die vier single-alben und eine flasche cidre. dann runter auf die croisette. gegenüber vom martinez bauen wir auf der promenade die "anlage" auf. und los geht's mit fanfaren: "sir duke" von stevie wonder. ein paar leute, die auf ihrem weg vom oder zum martinez vorbei kommen, gucken irritiert, aber lächelnd.

zehn meter weiter fangen ein paar engländer, die um einen kronenbourg-kasten sitzen, zu tänzeln an. A. und B. kommen vorbei, setzen sich zu uns. die nacht ist lau, die musik spielt, ultra-lo-fi vor der martinez-bar. plötzlich geht's uns schon viel besser. der abend ist gerettet. als wir zusammen packen, kommt einer der kronenbourg-engländer und meint, er müsse unbedingt eine compilation von mir in england herausbringen. alles klar. nein, insistiert er betrunken, er meine das "totally serious". soll das ein witz sein? ich hab doch die platten nicht gemacht. aber er bekommt sich gar nicht mehr ein vor begeisterung.

mittwoch nacht: wir sind auf einer anderen strandparty, als woldo eine SMS bekommt. B. fragt, ob wir nachher wieder vorm martinez posten beziehen. sie habe schon diversen bekannten bescheid gesagt. woldo und ich schauen uns an. warum eigentlich nicht? um zwei verlassen wir die harten beats der massive-music-party (sehr guter DJ) und holen unser equipment. bauen wieder auf der promenade gegenüber dem martinez auf. andere hamburger stoßen hinzu. vorbeiziehende nachtschwärmer bekommen plötzlich dieses zucken in den beinen, wenn sie in den schallkegel von "good times" von chic kommen, der aus diesen kleinen, aber kräftigen boxen des philips-plattenspielers plärrt.

zwei hippiefranzosen setzen sich zu uns. zwei junge englische "actors", die auf eine rolle in einem werbespot (!) hoffen und von ihrer agentin nach cannes beordert wurden, kommen dazu. ziemlich pleite, ohne hotelzimmer, aber gut drauf. eine kleine traube bildet sich. ich spiel single für single, der übliche scheiß, auf den immer alle tanzen (also übelste disco-klischees), aber hier passt das alles zusammen. inzwischen tanzen zehn leute, während es langsam hell wird über cannes. ein amerikaner kommt und gibt mir seine karte: "I fly you in to L.A. with your crazy seven-inches." wir müssten dort unbedingt parties aufziehen, das sei für amerikaner gar nicht mehr vorstellbar, dass noch einer singles spielt. im MP3-zeitalter. er redet sich richtig in rage.

ein älterer film/werbefuzzi kommt vorbei und will mir was in die hand drücken. oh, kriege ich jetzt etwa einen euro? "have fun" sagt er, und als ich meine hand öffne, liegt ein knäuel mit gras darin. ich bin platt. es ist halb sechs, als wir zusammenpacken und mit den beiden engländern zum miramar zurückgehen. woldos firma hat noch ein ungenutztes appartment, und wir quartieren die beiden - gareth & gabriel - dort für eine nacht ein. vom klo höre ich ihre freudenschreie, als hätten sie im lotto gewonnen, so fassungslos sind sie darüber, dass sie mit blick auf croisette und meer untergekommen sind. woldo und ich kommen uns wie pfadfinder nach der obligatorischen guten tat vor.

donnerstag: die phiesta-low-fi-anti-martinez-aktion hat sich herumgesprochen. "seid ihr heute abend wieder da?" na, wenn das so ist, machen wir es eben noch mal. diesmal kaufen wir zwei kanister rosé im supermarkt ein. um viertel vor drei sind wir wieder an "unserem" platz. der eine der beiden hippie-franzosen vom abend vorher entdeckt uns freudestrahlend. zwei andere franzosen kommen dazu. wir sitzen alle aufgereiht auf der mauer, ich mit dem philips in der mitte. und jetzt wandern alle fünf minuten tüten von links oder rechts an mir vorbei. die franzosen kiffen nicht schlecht.

die obligatorischen hamburger trudeln ein. gareth und gabriel kommen und fallen uns noch einmal um den hals wegen der übernachtung. es wird hell und in der martinez-bar gibt es nichts mehr zu trinken. ein engländer kommt und bricht beim anblick des philips und der singles in entzücken aus: "this is the fucking greatest thing I've seen in cannes" und geht richtung martinez los, um zwanzig leute zu holen, wie er sagt. die traube ist jetzt mindestens doppelt so groß wie am tag vorher, etwa 25 leute tanzen zu allem, was die single-alben hergeben.

ein italiener fährt mit seinem cabrio vor, ist sprachlos und tanzt mit. ein pritschenwagen der stadtreinigung hält, die pritsche wird gleich von drei leuten geentert, die "cannes-parade" ist geboren, und die beiden typen im wagen lassen die pritsche zur musik hoch und runter gehen. es wird sechs und der erste linienbus fährt vorbei, die bars auf der anderen straßenseite machen schon wieder auf, und die meute tanzt immer noch. schlafen ist überflüssig. für einen augenblick liegt ein hauch von hippie-spirit in der luft. ein plattenteller und ein paar vinylscheiben sind genug. auch 2004. mann, bin ich zufrieden.

der tatort: die croisette,
unschuldig im tageslicht

die tatwaffe

nacht-zene
auf der croisette

der rosé

croisette-hippies im morgengrauen

londoner schauspieltalent
ohne dach überm kopf