sanjo 29. mai 1999:

Wenn ich so auf den 29. Mai zurückblicke, so denke ich an einen schönen Tag, mit viel Sonne, Lachen, Spielen, Singen und an den Beginn von Freundschaft. Und das komische ist, jedenfalls für mich, er begann mit Sex .... Ja, und diese Frau, die morgens neben mir aufwachte, hieß W.

Ich hatte sie den Abend vorher in einer Kneipe kennengelernt. Die Freundin ihres Bruders, die wiederum eine Bekannte von mir ist, hatte uns, ja, das darf man wohl so sagen, bekannt gemacht. Jedoch, ich kann nicht behaupten, dass mich ihr Anblick vom Hocker gehauen hätte. Schön und gut, sie war und ist es wahrscheinlich immer noch attraktiv, groß und schlank. Und, ich stehe dazu, ich habe eine Schwäche für Frauen, die nicht auf so komische Plateauschuhe zurückgreifen müssen, um die magische Grenze von 170 cm hinter sich zu lassen.

Aber mein erster Gedanke war: "Nicht schlecht, doch nichts für mich. Bestimmt so eine Eppendorfer Schickse." Und auf meine männliche Intuition, ja so etwas gibt es wirklich, höre ich normalerweise. Wahrscheinlich wäre es auch bei diesem Kennenlernen geblieben, wenn sie kein weißes Hemd getragen und sich nicht von ihrem Platz erhoben hätte, um mit mir und ein paar anderen in die nächste Kneipe zu gehen.

Verflucht, dieses weiße Hemd, wo die, ich schätze mal, obersten drei Knöpfe nicht den Weg in die gegenüber liegenden, dafür angedachten Schlitze gefunden hatten und diese, ich hasse mich, in einer engen Jeans steckenden, unglaublich langen Beine, die mit jedem Schritt riefen: "Ja, wir können uns bewegen. Wir sind toll. Wir sind die schönsten Beine auf der Welt. Du wirst uns niemals vergessen.....".

Auch wenn ich mir sagte, o.k., sie hat heimlich geübt, so setzte doch langsam aber sicher mein Verstand aus. Nein, ich wollte sie nicht in mein Bett bekommen, das ist nicht meine Art. Vielleicht die Sehnsucht nach zarter, unsicherer Berührung unbekannter Haut. Wie hieß doch gleich dieser Filmtitel : "Ein Hauch von Zärtlichkeit". Ja genau, mit diesem Wissen, wie konnte ich nur, ich Trottel, wie konnte ich nur fragen: "Vielleicht hast Du noch Lust auf einen Kaffee mit zu mir zu kommen ?"

Ich hätte es sehen, merken müssen, als ich ihr irgend welche CD’s vorspielte. Spätestens bei dem Winter von Vivaldi. Ja, die Stimme hätte rufen müssen: "Hey Du Spinner, die liebt nur den Sommer, Helligkeit, alles Schöne. Die Dunkelheit macht ihr Angst und außerdem – die hat maximal 10 CD’s und trägt schwarze Unterwäsche....." Beides stimmte und der 29. Mai begann mit wenig Schlaf und wie bereits erwähnt mit dem, welches bei den meisten Zweibeinern zum elementaren Bestandteil ihres Daseins gehört.

Nachdem W. meine Wohnung verlassen hatte, startete ich einen Rundruf, um Fahrgelegenheiten, Holzkohle, Grill etc. zu organisieren, denn wir wollten diesen Samstag am Elbufer, genauer Falkensteiner Ufer verbringen. Die Sonne, ja das klingt wohl abgedroschen, lachte und ich wollte nur eins – raus. Gegen 13 Uhr kam dann Simjo mit seiner Standardausrüstung, eine Kühltasche mit Tragegurt, vorbei.

Zum damaligen Zeitpunkt ging es ihm ausgesprochen schlecht, da sich seine Frau, mit der er 14 Jahre verheiratet war, in Budapest einen anderen Typen geangelt hatte. Ich war der Meinung, Abwechslung tut ihm sicherlich gut und so hatte ich ihn überredet, mitzukommen. Kurze Zeit später stieß Sarch, ein sehr guter Freund zu uns. Er ist Grieche und stammt aus Bochum. Irgendwie scheint er auch den gewissen Humor dieser Gegend in sich aufgesogen zu haben, jedenfalls ist er in der Lage eine, wie sagt man doch so schön, gesellige Runde allein zu unterhalten. Und Fensterbänke, auf denen er zur vorgerückten Stunde das Tanzbein schwingt, sind seine zweite Heimat.

Wir fuhren dann gemeinsam zum besagten Falkensteiner Ufer. Dort angekommen breiteten Sarch und ich unsere Decken aus, Simjo stellte seinen Klappstuhl auf und wir harrten der Dinge, der Momente, die folgen sollten. Aus meiner Nixe, einem 50er Jahre Radio klang leise Musik. Ab und an mußte ich an W. denken und ich konnte das alles nicht glauben. Konnte das ein gutes Ende nehmen? Im Laufe der nächsten zwei Stunden stießen der Großteil der anderen hinzu. Gelha und seine Freundin M., Woldo und Makan, T. und N., Noaal und seine Freundin U. sowie viele andere Menschen, die irgendwie so wie eine Flasche Ketchup mitgebracht wurden. Gut, dass sie da waren, Pommes schmecken mit Ketchup einfach besser. Aber ehrlich gesagt, von Ketchup allein wird man nicht satt, Pommes sind schon nahrhafter. Man hat da länger was von. Tja, ich habe gar nicht gemerkt, wann die Ketchupflasche leer war.

Die erste Zeit dieses Nachmittags verbrachte ich mit Simjo, Gelha und einem (Entschuldigung lieber Unbekannter...) Löffel Ketchup beim Boule-Spielen. Nachdem mir das keine Freude mehr bereitete, machte ich es mir vor m einem Radio mit einer Flasche Bier bequem, um der Bundesligaberichterstattung zu lauschen. Es war der letzte Spieltag, und der Abstiegskampf war unglaublich spannend. Die Frankfurter Eintracht konnte sich in letzter Minute retten, und der 1. FC Nürnberg mußte absteigen. Ich mußte an meinen Vater denken, einen Fan dieser Mannschaft. Irgendwie habe ich mit ihm gelitten. Komisch, in diesem Momenten wird mir bewußt, wie sehr ich ihn liebe.

Es muß so etwa 17 Uhr gewesen sein, da tauchte Schmi auf einmal auf. Er erzählte, dass er, Barac sowie ein Arbeitskollege von diesem, uns schon den ganzen Nachmittag suchten und ca. 2 km entfernt lägen. Tja, der Arme, ihm blieb nichts anderes übrig, als zurück zugehen, um die beiden zu holen. Aber naja, vielleicht auch ganz gut getimt, denn als ich sie mit Sack und Pack entlang der Elbe auf mich zukommen sah, war der Grill schon an .

Barac, ein langjähriger Freund, mit dem ich mal zusammen gewohnt hatte, machte mich mit seinem neuen Arbeitskollege Boeni bekannt. Ich weiß nicht mehr, wie er genau auf mich wirkte. Aber ich glaube, ich fand ihn von Anfang an ganz sympathisch. Wie sagt man doch so schön, er brachte sich ein. Ich sehe ihn noch mir, wie verantwortungsvoll er sich um unser späteres Lagerfeuer kümmerte und stolz verkündete, dass er früher bei den Pfadfindern war.

Den frühen Abend verbrachten wir mit Volleyballspielen. Es hat riesig Spaß gemacht, auch wenn so gut wie niemand es richtig konnte. Aber der Einsatz zählt und den lege ich fast immer an den Tag, wenn es um einen sportlichen Wettkampf geht. Außerdem, ich gebe es zu, kann ich schlecht verlieren. Ja, und wenn dann noch ein paar nette Damen mitspielen, dann will man(n) sich von seiner besten Seite zeigen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht mehr, ob mein Team verloren oder gewonnen hat. Jedenfalls, da ich natürlich vollen Einsatz zeigte, war ich ziemlich mit Sand bedeckt. Und was lag da näher, Wasserqualität, Allergien hin oder her, als mal kurz in die Elbe zu hüpfen. Boeni, der Spinner, aber hat mir gefallen, hatte wahrscheinlich vor, seinen Freischwimmer nachzuholen. Aber da er mir später nichts von irgend welchen Hautausschlägen oder sonstigen körperlichen Leiden berichtete, hat der lange Aufenthalt im kühlen Nass ihm wohl nicht geschadet.

Da es langsam dunkel wurde, machte ich mich auf, Holz für ein Lagerfeuer zu suchen. Ein paar, leider wenige, andere folgten meinem Beispiel. Ich besitze die Fähigkeit, leider ist es sehr oft auch eine Last, da man den Moment nicht genießen kann, vorausschauend zu denken.
Ende Mai wird es sehr schnell kühl und ich hatte keine Lust zu frieren. Außerdem bin ich ein hoffnungsloser, ja, dieses Wort trifft es sehr gut, da ich manchmal geneigt bin, die Hoffnung aufzugeben, Romantiker. Und ein Lagerfeuer am leeren Elbstrand, die vorbei fahrenden Schiffe, nette Menschen, Mond und Sterne als Freunde sowie die Sehnsucht im Herzen tragend, ja, da musste Holz her. Damit es brennt, das Feuer, die Lebensfreude und niemals aufhört zu lodern. Es war nicht einfach, doch wir fanden ein paar abgestorbene, oh Gott welch schreckliches Wort, verzeiht mir ihr Weggefährten, die ihr jahrzehntelang nebeneinander mit den nun nicht mehr unter euch Weilenden das Spiel mit dem Wind genossen habt, Äste. Die nächsten Stunden waren gerettet.

Ich weiß noch genau, wie wir am Lagerfeuer saßen, und einem zauberhaften Oldiesender lauschten. Ich habe diesen Sender niemals wieder gefunden. Es war so, verzeiht ihr lieben Atheisten, als habe der liebe Gott Regie geführt. Da sich mehrere, selbsternannte Musikexperten, meine Person eingeschlossen, unter uns befanden, vertrieben wir uns mit einem netten Spiel den Abend – Song- und Interpretenraten. Als darin unschlagbar erwies sich Woldo, die beste Freundin von Makan, welche ich in der Osterzeit kennen gelernt hatte.

Es war unglaublich, Entschuldigung liebe Erdenbürgerinnen, eine Frau, die sich in beeindruckender Weise mit Musik auskennt. Bis zu dem damaligen Zeitpunkt hatte ich von dieser seltenen Spezies nur gelesen. Und nun war ich live, ungeschnitten dabei. Ein einmaliges Erlebnis. Ich war beeindruckt und voller Hoffnung, dass ich doch noch eine Frau kennen lerne, die mehr als 10 CD’s besitzt und für die Musik ein elementarer Bestandteil ihres Lebens bedeutet.

Gegen Mitternacht machten wir uns auf den Weg zurück Richtung Hamburg. Nachdem ich mich zu Hause kurz umgezogen hatte, traf ich mich mit Sarch, Makan, Woldo und zwei, drei anderen, an die ich mich nicht mehr erinnere vor der Amphore, einer irgendwie dazu gewordenen Inn-Kneipe von Hamburg. Auch Boeni stieß überraschenderweise, denn er kannte uns ja eigentlich nicht, später dazu. Nachdem wir gemütlich ein paar Bier getrunken hatten, machten wir uns zum Abrunden des Tages in die Lounge, einen kleinen Club, auf.
Ich sehe mich noch mit Boeni auf einem Sofa sitzen. Er baute sich einen Joint, von dem ich 2 oder 3 mal zog, und wir philosophierten über das Leben und Liebe. Es war schön. Schön verstanden zu werden. Abschließend kann ich festhalten – es war ein herrlicher Tag.

weiter am 30. juni 1999