Vorbei

Ich wachte auf und hatte Kopfschmerzen. Schüsse fielen keine. In meinem ächzenden Kopf hallten Sanjos Worte vom vorigen Abend wieder, und das Offensichtliche überfiel mich. Makan war schon lange weg, nachdem sie festgestellt hatte, dass sie Hamburg nicht mehr ertragen konnte. Schmi und Barac hatten beschlossen sich zu vermehren und waren auch weg. Simjo und Sarch waren schon vor Jahren gegangen, als der Irrsinn am schönsten war. Noaal hatte sich mit Frau Günther, Frau und Kind an den Stadtrand verzogen. Die übrigen sah ich manchmal noch, aber wenn ich ehrlich bin, war da nichts mehr vom alten Spirit. Sanjo und ich waren die letzten, die Phiesta noch hochhielten, Woldo manchmal auch.

That's it, man, dachte ich, Phiesta ist schon lange Geschichte.

Hemingway'sche Gestalten, die sich an der Elbe gefunden hatten, im Sommer '99, die alle ihre ersten Blessuren abgekommen hatten und sie mit aller Entschlossenheit wegfeierten. Welch seltener, großartiger Zufall, wenn sich Menschen treffen, die miteinander nur wenig gemeinsam haben und sich doch nichts draus machen. Von außen betrachtet sah das wohl seltsam aus, diese laute Zusammenrottung, die sich weigerte, sich als "Clique" zu begreifen und immer nur "phiesta" brüllte und niemandem erklären konnte, was das alles bedeuten soll.

Es gibt immer Häuptlinge und Indianer, hatte Sanjo gesagt. Das lehne ich ab, hatte ich geantwortet, weg mit den Häuptlingen. Auch den zufälligen. Also beschloss ich, bei mir anzufangen und diesen Bauchladen hier dicht zu machen, den ich als HTML-Häuptling so lange aufrecht erhalten hatte. Das Haltbarkeitsdatum war schon lange abgelaufen.

2006 in Dahab war Phiesta zum letzten Mal Wirklichkeit gewesen, auf dem Dach vom "Nirvana" – wie passend. Im Juni verließ Boeto den Hamburger Berg, und damit war auch das frühere Epizentrum dieser Posse verschwunden. Wenn ich jetzt aus der Barbarabar nach oben schaute, brannte da kein Licht mehr im zweiten Stock.

Nostalgie ist Scheiße, dachte ich, während die Kopfschmerzen schwächer wurden, nur um mir nicht eingestehen zu müssen, wie traurig ich war, dass viele von uns so auseinander gedriftet waren. Aber genau das war es, was mir jetzt klar wurde, dass wir uns schon lange vom einen oder anderen missachtet vorkamen, immer noch Anteilnahme an unseren neuen Leben erwarteten und selbst nicht genug zurückgaben. Weil Phiesta, die Posse, tot war.

Der Phiesta-Spirit nicht. Er ist irgendwo da draußen, in St. Pauli, Dahab, Cannes oder anderswo und beflügelt vielleicht neue Hemingway'sche Gestalten, die sich zu einem unglaublichen Run mutwilliger Fröhlichkeit aufmachen.

Ich legte mich zurück in die Sonne und sagte mir: "Let's burn."

Boeni, 17. August 2008
(der zu LOMU weiter gezogen ist)