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boeni, 5. september 1999:

Key west, Steppenwolf, leben aus zweiter Hand, reisen, Verantwortung, Coolness... Teile unserer tour de force, in die Woldo und ich eben am Telefon gestolpert sind. aber dann konnte ich nicht mehr. Hätte woldo lieber an mich gedrückt, mir ging noch viel mehr durch den Kopf.

Es gibt nicht mehr viele Leute in unserem Alter, die das Leben noch als Herausforderung, als Abenteuer begreifen. Fast alle meine Freunde erfüllen heute irgendeine Pflicht, die ihnen als Entschuldigung dient, nicht ihren Träumen nachspüren zu können, Job, Familie, Kinder, Beziehung. Natürlich hat mich da manchmal der Gedanke beschlichen, ob ich wirklich so ein ganz unverbesserlicher bin, dass ich nicht den "Ernst des Lebens" akzeptiere.

Wie oft habe ich diesen Ausdruck vor und nach meiner Weltreise gehört. Noch einmal einen Traum wahrmachen, haben alle gesagt bevor... bevor was? habe ich dann gedacht. Die Leute, die mich auf der Weltreise am meisten beeindruckt haben, waren alle schon lange über 40 - ein holländisches Paar, das ein dreiviertel Jahr den Globus umrundete, und der beste von allen Tauono, der Sorbas der Südsee, von Aitutaki, selten so einen entspannten, zufriedenen Menschen gesehen. hat mich ungeheuer beeindruckt.

Am Titicacasee dachte ich über meine ewige Unruhe nach, die ich immer hatte bezwingen wollen. Unsinn, so ist es eben, let's burn, na und, heute bin ich im reinen damit. Warum mich meine Unruhe gequält hat, ist mir jetzt klar - es war N. Ihr war die Unruhe immer unheimlich gewesen, sie hatte Angst, dass ich ihr nicht ganz gehöre. Aber trotzdem war sie es nicht allein mit ihrem vernünftigen Zugang zum Leben, die mir die Rückkehr von der Weltreise, nicht auszusteigen, selbstverständlich erscheinen liess. Ich war es auch selbst, teils weil mir die Reise meine Illusionen genommen hat, irgendwo könnten die Menschen völlig anders drauf sein, aber sie sind sich alle rund um den Globus viel ähnlicher, als man denkt.

Teils war es aber auch ein diffuses Pflichtgefühl, nicht einfach abzuhauen, sondern da etwas in Gang zu setzen, wo man herkommt. Habe mich häufig in der Position dessen wiedergefunden, der eine Sache noch hochhält, wenn fast alle schon abgesprungen sind. Das ärgert mich. Es ist vielleicht eine form von naivität, gar dummheit. Andererseits bin ich optimistisch und hartnäckig und gebe nicht schnell klein bei.

Als ich in der Mojave-wüste sass ende März, war ich nach meinem "Marathon" seit der Weltreise endlich mit mir im reinen.

Doch dann, als ich wieder aus kalifornien zurück, merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Misstraute N.s neuem Frieden, hielt mich für paranoid nach dem vorangegangenen und eigentlich überwunden geglaubten Zwist. Hatte leider recht... aber beim zweiten Mal ist es alles nicht mehr so dramatisch.

Wir haben noch dreimal telefoniert, N. wusste nicht, was sie wollte, dann wusste ich es, und das war's. 10 Tage später war das Grillen am Falkensteiner Ufer. Der point of no return.

Man macht viele seltsame dinge, wenn man jemanden noch liebt. Und wie lange man dazu bereit ist. Die große freiheit will man dann gar nicht. Verrückt.

Jetzt geht es mir sehr gut, so gut wie schon sehr lange nicht mehr. Ich kann endlich völlig ich selbst sein. Und wenn woldo dann solche sätze sagt wie, wer wenn nicht unsere generation hätte allen Grund, wagemutig, experimentierfreudig zu sein anstatt nur irgendwelchen seltsamen Vorstellungen von Sicherheit und Normalität hinterherzurennen, dann bekomme ich ganz grosse Augen. Komme mir dann vor, als hätte ich einen schatz gefunden. Kann's nicht glauben.

weiter am 30. september 1999