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boeni, 19. september 2003 - mittags beim nudelessen:...
also das ist echt ein ding. habe gerade beim nudelessen fernsehen geschaut und in eine RTL-sendung reingezappt. da ging es um sozialschmarotzer. sehr abgefahren.
auf der couch sitzt "viagra-kalle" (55), übrigens aus bad soden, wo meine eltern wohnen, mit seiner frau. er lebt seit jahren von sozialhilfe und hat jetzt beim verwaltungsgericht in hofheim darauf geklagt, dass ihm das sozialamt viagra bezahlt. das gericht hat ihm recht gegeben.
klarer fall, denkt man, das ist der untergang des abendlandes. nur dann geht es ganz erstaunlich weiter.
der typ kann nicht nur nach gesetzeslage begründen, warum das in ordnung ist, er trägt es auch plausibel vor. sicher, er ist ausgebufft. aber er hat keine lücke in seiner argumentation (höchstens vielleicht moralisch): er hat 30 jahre gearbeitet, ist nach einem unfall zu 100 prozent schwerbehindert (das geht ja recht einfach) und hat seit den 70ern eine potenzstörung, ebenfalls in folge eines unfalls. auf den viagra-trichter ist er gekommen, weil seine frau noch ein kind von ihm will, sie ist 40. naja, das geht noch.
interessant wird es, als das publikum ins spiel kommt und fragen stellt und schließlich eine sozialamtsmitarbeiterin auf die bühne gebeten. anstatt ihn geschickt auseinanderzunehmen, tropft ihnen der geifer aus dem mund. argument nr. 1: "du lebst von meinem geld", argument nr. 2: "wer arbeiten will, findet immer arbeit. wenn man etwas will, kann man alles haben." (ach!) auf der bühne ein kaleidoskop dumpfbackiger landpomeranzen, die typen alle kurze, gegelte zerstrubbelte haare, die frauen à la britney spears.
mal abgesehen von der inszenierung so einer show kann man den "generationenkonflikt" in seiner unappetitlichkeit nicht besser auftischen. junge leute, die mit paarundzwanzig über ihre rente nachbrüten, ihre steuergroschen zählen und vor allen dingen zu keiner argumentation fähig sind außer solchen platitüden wie oben beschrieben.
fazit: viagra-kalle war mir am ende richtig sympathisch. das war wohl nicht beabsichtigt.
aber glaubt einer - um jetzt mal sehr pauschal zu werden -, mit dieser generation hat der sozialstaat überhaupt noch eine chance? die wissen doch gar nicht, wie das wort geschrieben wird.
ich frag mich immer, warum ich mich nicht darüber aufrege. es ist mir echt egal, ob ein rentner jetzt zuviel bekommt oder nicht. was weiß ich, was in 30 jahren ist? interessiert mich nicht.
rock'n'roll - mit viagra-kalle! geil!
weiter am 28. september 2003 |