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boeni, ein paar tage im juli 2002:

dienstag, 9. juli. woldo, makan, schmi und ich liegen am elbstrand. hinten, kurz vor teufelsbrück. die sonne brennt, woldo hat geburtstag, und wir reden nicht über politik.

ich finde, es ist zeit, endlich einmal über die elbe zu schwimmen. also gehe ich ins wasser und schwimme los. die strömung zieht flussaufwärts richtung hafen wegen der flut. ich lasse ein, zwei hafenfähren passieren, tauche dann durch die bugwellenberge und finde es ganz locker. den blick immer nach rechts und links, wie ein kind vor dem zebrastreifen, arbeite ich mich ganz langsam durch den schmutziggrünen strom. aber bald ist ja elbebadetag...

ich komme gut voran. von rechts kreuzt ein lastkahn, noch 70, 80 meter bis zur anderen seite, hinten in der ferne so ein container-gigant. weit weg.

ein zollboot passiert, der käptn guckt mich humorlos an. 30 sekunden später höre ich ein megaphon. "wir nehmen sie jetzt an bord", dann sehe ich das blaue hafenpolizeiboot auf mich zuschießen, und das zollboot hat umgedreht und fährt ebenfalls an der szene vorbei. herren in weißen kurzärmeligen oberhemden lassen die leiter runter, ich kletter an bord. da bin ich dann. guten tag.

"sie dürfen da nicht schwimmen."
"nein? ich dachte, jetzt da bald internationaler elbebadetag ist, geht das."
"nein, das geht nicht."
die typen wissen offenbar nicht, ob sie lachen oder weinen sollen, wie ich da gutgelaunt in badehose an deck stehe. aber sie bewahren haltung. immerhin sind sie so schlau, mich nicht nach meinem ausweis zu fragen.

"wir bringen sie jetzt an den anleger, da müssen sie dann ein bisschen laufen, um zu ihren sachen zurückzukommen." einer nimmt meine personalien auf. "flussaufwärts, vor hamburg, da können sie das machen."
"heißt das, man darf vom hafen bis zur elbmündung die ganzen 80 kilometer nicht mehr die elbe überqueren?" frage ich.
"das sollte einem eigenlich der gesunde menschenverstand sagen", meint der hafenpolizist.

dann legen wir an. zum abschied empfiehlt mir der mann am ruder: "wissen sie was, wenn sie so richtig schwimmen wollen, gehen sie doch auf die köhlbrandbrücke und springen sie von da ins wasser!" ich verkneife mir eben gerade, ihm zu sagen, dass ich schon vergeblich versucht habe, mit woldo die köhlbrandbrücke zu überqueren. auch da wurden wir von der polizei abgefangen. aber dann hält er mich wahrscheinlich für vollkommen verrückt.

das boot geht längsseits, ich bedanke mich und steige auf den anleger am museumshafen. ein paar touristen schauen irritiert zu. 20 minuten später bin ich wieder bei den anderen drei, die alles durch ein geliehenes fernglas verfolgen konnten.

donnerstag, 11. juli. "mein jüngster sohn wohnt in einer müllhalde", sagt mein vater verstört, als er mir mittags meine wohnungstür öffnet. er sagt, er habe schlecht geschlafen, dreimal sei er hochgeschreckt in der nacht, mit diesem einen gedanken. "mein jüngster sohn wohnt in einer müllhalde." ich frage mich, wovon er redet...

am vorabend hat er sich noch die bude angeschaut, in der mein bruder boeto seit einigen wochen zur untermiete wohnt. sicher, das ist ein skurriler schlauch unter dem beerdigungsinstitut klotz in der budapester straße, sicherr, aber doch keine müllhalde.

der vater fährt, die mutter kommt am nachmittag. boeto zeigt auch ihr die wohnung. sie ist fassungslos. "nein das ist wirklich unglaublich", sagt sie im angesicht des chaos, das man zweifellos nicht wegdiskutieren kann. "aber guck doch mal, wie schön der hinterhofgarten ist", sage ich, um auch mal etwas positives hervorzuheben. boeto, vor drei monaten aus dem gediegenen rhein-main-gebiet gekommen, findet den miefenden schlauch, von dem mit sperrmüll vollgestopften räume abgehen, inzwischen ganz lässig. das leben in st. pauli verändert jeden.

samstag, 13. juli. woldo, lerth und riejo feiern im sommersalon. die musik ist mal wieder mein part.

ich beginne mit hörmusik. das gotan project, blackcurrant jazz, the rurals, cornershops house-stück, ein gainsbourg-remix... die leute kommen, es wird voll und voller, reeperbahn-laufpublikum muss draussenbleiben. um zwölf birthday von den beatles für riejo, dann eine folge von disco- und soul-klassikern (ARZT!) - schon grooven die ersten, immer dasselbe. aber sie white lines von grandmaster flash kommt an und macht mich glücklich.

makan packt die liegestühle weg, die tanzfläche wird größer, die schar der tanzenden auch. wechsel zu neueren sachen, das geht gut, sogar contact von roger sanchez und das BMR club mix des immer noch grandiosen sing it back (hans nieswandt zum trotz!) treiben weiter.

dann endlich mal mehr gitarren, back in the USSR von den beatles, großartig, plastic bertrand, kein halten mehr, fehlfarben, ich bin ganz zufrieden, auch wenn es am ende wieder zuviele gassenhauer sind. nicht geht: this boy von tocotronic, eins meiner lieblingslieder zur zeit. interessiert wohl nur mich.

später um vier klingt das ganze dann mit dem guten alten serge, könig johannes und endlich mal jean-michel jarre aus. tolle party. toller laden. geht mal hin, jeden sonntag um 21 h zum chillen, spielbudenplatz 22.

mittwoch, 17. juli. kiezkick am millerntor. promis gegen profis für paulis kinder. bei strömendem regen wollen ein paar tausend leute detlef buck im tor der promis sehen. buck hält gut. aber der rest ist unglaublich schlecht. könig boris mit dem langsamsten antritt, den ich je gesehen habe: der einzige gute pass in der ersten hälfte in den strafraum des FC st. pauli, und er verliert einen vorsprung von 5 metern auf 10 meter entfernung zum ball. lunge plattgekifft? säufer? 0:10 liegen die promis zur pause hinten. ich gehe.

nach dem spiel stoße ich zu jänma, noaal, meyjo, schan, woldo und makan bei mr. kebap. bis auf woldo haben alle geladen. bei noaal kommt es daraufhin zu folgenden äußerungen:

"beamirnCD gschenkt boxen durchg'knallt ich bea schöne scheiße auto abfackeln oder was?" - jänma ratlos: "was hat bea mit meinem arsch zu tun?" großes gelächter.
dann ereifert sich noaal über winjes "schlangerschaftsvufung". will heißen: ihre "schwangerschaftsvertretung", wir kreischen.
und schließlich "gibts neneue kneipe im motion null-fuffzig esperado." wat? die kneipe heißt eldorado und liegt in der wohlwillstraße 50. wir fallen vor lachen vom hocker und noaal merkt, dass es doch zeit ist, ins bett zu gehen

samstag, 20. juli. gelha und co machen mal wieder party in der karolinenstr. das ist jedesmal ein sehr heterogenes publikum. sanjo hat statt dem obligatorischen trikot unterm anzug ein schickes hemd an. er hat gute laune. während ich mich am einen ende der 200 qm abmühe, "partymusik" (o-ton so einer langen blonden ohne lachmuskeln im gesicht: "kannste nicht mal 80er spielen?") hinzubekommen, dabei in meinem synthetik-schlangenhemd schwitze, bombardiert von stroboskop-licht, vollführt man am anderen ende niederes.

so ein typ packt seinen schwanz aus und pinkelt auf den balkon. woldo stellt ihn zur rede, aber: "was raus muss, muss raus." klar. woldo holt gelha. der typ sitzt schon apathisch auf dem sofa nach dem kraftakt. die punz neben ihn redet auf gelha ein, der sich beschwert: "nun lass ihn doch mal." "nein ich lass ihn nicht. du pinkelst hier auf meinem balkon?" "nun lass ihn doch mal." "ich bin hier der gastgeber." irgendwie führt das gespräch zu nichts.

hinten spielen inzwischen die gitarren der verzweiflung. ein handvoll leute poguet. wir werfen uns zu ring of fire, azzurro, beatles, REM (so was mir, aber es war "it's the end of the world as we know it"!) und strokes auf sitzsäcke. jänma wirft sie gegen die wand, und ein paar gucken verständnislos in den vollgeschwitzten raum, der voller lachen ist.

ja, dann kommen sie wieder. aber dann kommt auch die polizei. so ein typ in anzug und krawatte steht neben mir und sagt, ich soll den bass runterdrehen. "der ist am minimum-anschlag", sage ich. er: "ich weiß, dass der bass noch deutlich reduziert werden kann." wie? "der ist doch schon bei null, der knopf geht nicht mehr weiter", sage ich hilflos. der typ geht mit bösem blick. ein anderer kommt. "mach mal leiser, die bullen sind da." ich hab schon längst leiser gemacht. "mach mal leiser, mann." "hey, es IST leise", sage ich gereizt. der typ fängt an, an meinem mischpult rumzufummeln. jetzt geht's los. "hände weg." der typ bleibt neben mir stehen. "o.k. ich mach aus." musik ist aus. er steht noch neben mir. "hau einfach ab", sage ich. "hey lass mich bitte in ruhe und fummel hier nicht rum - DIE MUSIK IST AUS." mir ist fast nach prügel. drei frauen kommen zu mir. "hey, mach mal die musik aus!" was? "hört ihr hier musik?" blaffe ich. "hier läuft doch gar keine musik mehr!" "hey, mach jetzt mal die musik aus!" "verdammt, die musik ist doch schon aus, hört ihr das nicht?" was sind das hier für leute? ich könnte toben. 5 minuten später noch ein verzweifelter anlauf, leise copacabana zu spielen, bei 2 dezibel. "mach mal leiser." das macht mich fertig, ich entkabel das mischpult. "legt doch ne CD auf."

nachdem ich mich noch mal kurz mit dem anzug-schergen gestritten habe, sitze ich schimpfend in der küche. dort tätschelt k. eine blonde frau, die ich schon mal bei sanjo gesehen habe. dann knutschen sie herzzerreißend. spinn ich? ich dachte, k. ist schwanger. aber man weiß ja so vieles nicht im leben. ich blicke auf dieser party nicht mehr durch und gehe mit woldo nach hause.

weiter am 31. august 2002